Tierfotos im Stuttgarter Schlossgarten
 

Rede von Clarissa Seitz
(Gemeinderatsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen in Stuttgart )

bei der Vernissage "Stuttgarts wilde Papageien"


(Foto:Wolfgang Rüter)

Sehr geehrte Damen und Herren,
Mein Name ist Clarissa Seitz und ich bin Stadträtin bei der grünen Gemeinderatsfraktion. Ehrenamtlich engagiere ich mich beim Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND).

Auf Stuttgarts wilde Papageien - die Großen Gelbkopfamazonen - können wir wahrlich stolz sei. Außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes in Zentralamerika, ist Stuttgart der einzige Ort auf dieser Erde, wo sich eine stabile Population etabliert hat. In ihrer Ursprungsheimat sind die Amazonen inzwischen hochgradig gefährdet bzw. vom Aussterben bedroht. Inzwischen kommen viele vogelkundlich Interessierte und Ornithologen extra nach Stuttgart um die exotischen Vögel zu beobachten.

Besonders im Winterhalbjahr ist es ein einmaliges Schauspiel wenn die Vögel auf ihre Schlafbäume rund um den Cannstatter Wilhelmsplatz einfliegen und dabei ein wahrhaft klangstarkes, polyphones Orchester veranstalten. Damit könnten sie es mit jedem Konzert bei den berühmten Donaueschinger Musiktagen für Neue Musik aufnehmen. Manche ungebildeten Zeitgenossen nennen so etwas Geschrei und Lärm, aber das ist töricht, denn Stuttgart ist gebildet - schließlich sind wir Kulturhauptstadt Nr. 1 in Deutschland.

Die Städtemarketing-Leute suchen immer sog. Alleinstellungsmerkmale für ihre Tourismuswerbung jenseits von den klassischen Sehenswürdigkeiten wie Schlösser, Museen und Plätze. Zum Beispiel München hat mit der Eisbachwelle, die einzige Surfgelegenheit mitten in einer Großstadt weltweit. Und Stuttgart? Klar Porsche- und Daimlermuseum gibt es auch nur hier - ist aber eben ein Museum wie viele andere. Aber die ca. 50 Gelbkopf-Amazonen mitten in einer Großstadt sind weltweit nun wirklich was Besonderes. Und im Gegensatz zu Autoblech sind sie lebendig und immer wieder für Überraschungen gut. Das Stuttgarter Rössle muss zwar nicht gleich durch eine Gelbkopfamzone im Wappen abgelöst werden - ich empfehle aber wärmstens das einzigartige Vorkommen dieser Tiere stärker in das Stuttgarter Stadtmarketing einzubeziehen.

Interessant ist, dass die Amazonen ausgerechnet Bad Cannstatt als ihren Lebensmittelpunkt gewählt haben. Cannstatt gilt als einer der wärmsten Orte in ganz Deutschland, was auch die Winzer, die Mauereidechsen und seit Neustem der Orpheusspötter, eine Kleinvogelart aus dem Mittelmeergebiet, sehr schätzen. Cannstatt ist auch der Stadtteil mit dem höchsten Anteil ausländischer Mitbürger. Aktuell sind es 31,5 %. In der Gesamtstadt sind es zum Vergleich knapp 25%. Dieses immigrationsfreundliche Umfeld war wohl auch ein Grund, dass sich die gefiederten Neubürger aus Übersee seit knapp 30 Jahre an den Gestaden des Neckarknies so wohlfühlen. Diese lange Verweildauer in der europäischen Fremde hat dazu geführt, dass die Gelkopfamazonen in der Vogelfachwelt inzwischen als "eingebürgert bzw. heimisch" beurteilt werden. Ich meine ein schönes Beispiel von gelungener Immigration in Stuttgart.

Bevor nun Tomoko Arai noch Wissenswertes und Besonderes über die Amazonen berichtet, möchte ich zum Abschluss auf die Gefährdung und Schutzmaßnahmen eingehen.

Ohne Bäume kein Lebensraum für die Papageien - sei es als Brut- und Schlafplatz oder als Nahrungsquelle. Deshalb sollten wir alles dransetzen die Bäume, insbesondere im Talkessel und im Cannstatter Gebiet zu schützen. Mit der Novellierung bzw. Verschärfung der Baumschutzverordnung vor kurzem haben wir eine wichtige Maßnahme ergriffen.

Dennoch, die Verluste von Großbäumen, oftmals mit Baumhöhlen, welche die Amazonen so dringend brauchen, sind durch die Bauvorhaben Stuttgart 21 und Straßen-Rosensteintunnel enorm. Vor allem das Hauptbrutgebiet der Amazonen die große Platanenallee im Unteren Schlossgarten ist durch das Grundwassermanagement von Stuttgart 21 stark gefährdet. Bekanntlich verzögert sich Stuttgart 21 um Jahre und entsprechend verlängert sich die Gefahr, dass die riesigen Platanen unwiederbringlichen Schaden nehmen. Ohne diese Bäume ist wohl fraglich, ob der Zustand der Gelbkopfpopulation weiterhin stabil bleibt.

In diesem Zusammenhang ist erfreulich, dass die Gelbkopfamazonen im Artenschutzkonzept der Stadt Stuttgart als eine von 120 schützenswerten Individualarten aufgenommen wurde. Das Konzept wird im ersten Halbjahr 2017 veröffentlicht. Diese Adelung ist eine wichtige Voraussetzung für weitere Schutzmaßnahmen, wie z.B. der Erhalt von höhlenträchtigen Bäumen und der richtige Baumschnitt. Die Amazonen mögen keine zu stark gestutzten Bäume, denn sie bevorzugen als Schlafplätze die äußersten Zweige der Baumkrone, wo sie vor Marder und Katzen sicher sind. Sie sehen, dass wir uns nicht zurücklehnen können, sondern wir müssen uns für den Artenschutz aktiv einsetzen und im wahrsten Sinn um den Erhalt jedes Baumes in Stuttgart kämpfen. Dieser Einsatz ist nicht vergebens, denn Artenvielfalt -und dazu tragen die Gelbkopfamazonen bei - ist Lebensqualität!

Bevor ich das Wort an Tomoko Arai übergebe, möchte ich ein paar Worte zu ihrer Person und ihrer Arbeit sagen:
Tomoko Arai ist seit nun ca. 8 Jahren mit ihrer Fotoausrüstung im Schlossgarten und Rosensteinpark fast täglich unterwegs. Anlass war damals die drohenden und später leider vollzogenen Rodungsarbeiten im Zuge von Stuttgart 21. Mit ihren schönen Fotos von Wildtieren wie Feldhasen, Eichhörnchen, verschiedener Vogelarten hat sie einen wichtigen Beitrag geleistet die hohe ökologischer Wertigkeit der Parkanlagen zu unterstreichen.

Seit einigen Jahren hat sich Tomoko Arai auf die Gelkopfamazonen spezialisiert und zwar in einer Intensität, die ihres gleichen sucht. Tausende Stunden – also fast täglich - hat sie bei Wind und Wetter und zu allen möglichen und unmöglichen Tageszeiten in den Amazonen-Revieren verbracht. Die schwere Kamera dabei immer im Anschlag. Inzwischen kennt sie die knapp 60 Tiere fast alle persönlich – 40 von ihnen haben einen Namen bekommen.

Tomoko Arai weiß ihre Beziehungen bzw. Beziehungskonflikte, ihre Schicksale und Geschichten, z.B. das die ältere, verwitwete Amazonendame Undine der wesentlich jüngeren Loretta ihren Mann Loris ausspannte. Eine Konstellation die bei Menschen nicht so häufig vorkommt. Tomoko Arai weiß so unglaublich viel über diese Tiere, wie keine andere Person – sie brennt für dieses Thema und man kann mit Fug und Recht sagen: Tomoko Arai ist die Gelbkopfamazonen-Frau. Erfreulich, ist das seit einiger Zeit Tomoko Arai tatkräftige Unterstützung mit Bianca Hahn und Dieter Hoppe bekommen hat. An dieser Stelle meinen großen Respekt und meinen großen Dank für ihr großartiges Engagement.

Schon mehrfach hat Sie ihre Fotos erfolgreich öffentlich ausgestellt – vor ein paar Jahren auch hier im Rathaus. Umso mehr freut es mich, dass sie heute wieder neue, faszinierende Fotos uns präsentiert. Ich werde zunehmend dann ein Platzproblem bei mir zuhause bekommen, denn jetzt hängen schon zwei großformatige Amazonen-Fotos von Tomoko Arai bei mir im Wohnzimmer….

Vielen Dank!